Biographie Franziska Moses

Franziska Moses geb. Reiß wurde am 2. April 1878 im hessischen Großzimmern geboren als Tochter des Leopold Reiß und seiner Frau Regina geb. Fuchs. Der Vater war Kaufmann und Metzger dort. Franziska hatte noch weitere Geschwister. Etwa 1911/1912 heiratete sie den aus Mingolsheim stammenden verwitweten Viehhändler Abraham Moses. Auch dessen Mutter stammte aus Hessen – aus Rödelheim, heute Stadtteil von Frankfurt. 

Abraham Moses wurde allerdings am 6.10.1858 in Mingolsheim geboren, wo sein Vater Isaak Moses inzwischen beheimatet war.

Abraham Moses war in erster Ehe mit Fanny Stern, geb. 1855, verheiratet, die im Dezember 1910 in Mingolsheim verstarb. Aus dieser ersten Ehe gingen drei Kinder hervor: 

Hugo, geb.1888, Wilhelm, geb.1890, und Selma, geb.1892. Die Kinder wurden in Mingolsheim geboren und sind hier aufgewachsen. Die Familie lebte zwar in bescheidenen Verhältnissen, besaß aber ein eigenes Haus mit Garten in der Bruchsaler Straße 11. 

Mit der Heirat des Witwers Abraham Moses übernahm Franziska die Aufgaben und Pflichten der Mutter für die halbwüchsigen Kinder, die rasch ein sehr inniges Verhältnis zu ihr hatten. Familie wurde bei den Moses überhaupt groß geschrieben. Obwohl Abraham Moses nur ein kleiner Handelsmann mit bescheidenen Einkünften war, nahmen er und seine zweite Ehefrau Franziska einen elternlosen jüdischen Jungen namens Jakob Baumann genannt Moses bei sich auf und boten ihm ein Zuhause. Abraham Moses war klein von Gestalt, sagte aber immer: „Vater wird groß geschrieben, wenn er auch noch so klein ist.“ Abraham und Franziska Moses waren bei ihren Mitbürgern beliebt und geschätzt. Abraham Moses war sehr gesellig und humorvoll und Mitglied in beiden Gesangvereinen und der freiwilligen Feuerwehr. Franziska Moses kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder. 

Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges änderte sich das Leben von Familie Moses. Die beiden Söhne Hugo und Wilhelm wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Wilhelm ist mit 24 Jahren gleich zu Beginn des Krieges in Frankreich gefallen. Hugo kehrte heim und erhielt für seine Verdienste eine militärische Auszeichnung. Nach dem Krieg zog er nach Frankfurt und heiratete dort am 2.8.1923 die in Frankfurt geborene evangelische Christin Margarete „Gretel“ Saarholz. Sie trat mit ihrer Eheschließung zum jüdischen Glauben über. 1924 eröffnete Hugo in Frankfurt ein Fahrradgeschäft, das er bald auf den Vertrieb von Sprechgeräten und Schallplatten und ab 1927 auch auf den Vertrieb von Nähmaschinen und Sportartikeln erweiterte. Bis 1933 war er Anhänger und Wähler der Demokratischen Partei. 

Selma Moses heiratete am 13.5.1919 den katholischen Witwer Eduard Kuhn, geb. 1879, aus Mannheim. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau war er mit den drei Kleinkindern Wilhelm, geb. 1914, Karola, geb.1916, und Irma, geb.1918, auf sich allein gestellt. Wie ihre Stiefmutter Franziska Moses übernahm Selma mit der Heirat des Witwers die Mutterrolle. 

Jakob Baumann genannt Moses blieb am längsten bei seinen Adoptiveltern in der Bruchsalerstraße 11, bis Ende der 20 er Jahre. Er zog nach Jugoslawien, heiratete dort und gründete eine Familie. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. 

Abraham Moses starb im Jahr 1931 und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem jüdischen Friedhof in Mingolsheim beerdigt. 

Nach dem Tod ihres Mannes arbeitete Franziska Moses in der hiesigen Zigarrenfabrik Stein in der Friedrichstraße, bis dieses jüdische Unternehmen seinen Betrieb einstellen musste. Im 2. Stock ihres Hauses hatte sie immer Mietsleute, um so ihre wirtschaftlich angespannte Lage als Witwe zu verbessern. Sohn Hugo Moses unterstützte seine Stiefmutter, solange es die Zeit noch zuließ. 

Mit Beginn des Nazi-Regimes begann die systematische Entrechtung, Ausgrenzung, Kriminalisierung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung. Hugo Moses war bereits im April 1933 vom Boykottaufruf der Nazis betroffen. Sein Fahrradgeschäft stand in Frankfurt aufder veröffentlichten Boykottliste, und seine Geschäftseinnahmen gingen deutlich zurück. Auch Margarete Moses hatte als zum jüdischen Glauben konvertierte Ehefrau nun unter Verfolgung und Diskriminierung zu leiden; ihre Ehe galt laut der „Nürnberger Rassegesetze“ als „nicht privilegierte Mischehe.“ Margarete wurde deshalb mehrere Male von der Gestapo verhört. Spätestens 1938 war es Hugo Moses nicht mehr möglich seine Stiefmutter Franziska finanziell zu unterstützen, denn er musste sein Geschäft aus Verfolgungsgründen aufgeben und verlor damit die Lebensgrundlage. 

Während des Novemberpogroms wurde Hugo Moses verhaftet und bis zum 11. Dezember im KZ Buchenwald festgehalten. Im September 1940 wurde er erneut von der Gestapo verhaftet wegen Abhörens feindlicher Sender und Vorbereitung zum Hochverrat. Er war denunziert worden, weil er zusammen mit Freunden verbotene Radiosender gehört hatte. Dafür wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüßung der Haftstrafe im Gefängnis Amberg und in Zweibrücken wurde Hugo Moses 1942 nicht entlassen, sondern sofort der Gestapo in Frankfurt überstellt und im berüchtigtem Polizeigefängnis Klappenfeldstraße und im Polizeigefängnis Hammelgasse inhaftiert. Er musste dort Folter durch die Gestapo erleiden. Anfang Dezember 1942 durfte Margarete Moses ihren Mann ein letztes Mal besuchen, dann sah sie ihn niemals wieder. All ihre Bemühungen, die Freilassung ihres Mannes zu erreichen, waren vergeblich, denn Hugo Moses wurde im Januar 1943 nach Auschwitz überstellt und dort am 7.2.1943 ermordet. Margarete erhielt die Todesnachricht in Form einer Sterbeurkunde vom Standesamt Auschwitz. 

Auch Selma Kuhn in Mannheim hatte unter Verfolgung und Diskriminierung zu leiden. Zunächst blieb Selma unbehelligt, weil sie katholisch verheiratet war. Doch im Februar 1945 wurde sie von der Gestapo abgeholt und ins KZ Theresienstadt deportiert. Selmas Ehemann war zu dieser Zeit schwer krank und wurde von Selma gepflegt. All 

sein Bitten, man möge doch seine Frau verschonen, scheiterten und er wurde kurzerhand ins Krankenhaus geschafft, wo er 10 Tage später starb. Selma Kuhn war bis 26.6.1945 in Theresienstadt inhaftiert. Ihre Schwägerin Margarete Moses setzte sich für ihre Entlassung ein und holte sie in Theresienstadt ab. 

Wie alle jüdischen Personen wurde auch Franziska Moses bereits Anfang 1938 gezwungen, in Vorbereitung der Enteignung und Einverleibung des jüdischen Vermögens durch die Nazis ihren gesamten Besitz offen zu legen. Zusammen mit ihren Kindern gehörte ihr das eigene Haus mit Garten sowie Grundstücke in den Vogelgärten. 

Am 22.10.1940 wurde Franziska Moses wie ihre Leidensgenossen Emma, Julius und Elsa Falk deportiert und im Lager Gurs inhaftiert. 

An diesem frühen Morgen lief Franziska Moses verzweifelt und laut weinend die Friedrichstraße hinauf zum Marktplatz und rief: „Ich habe doch niemand etwas Böses getan und war zu allen gut! Warum muss ich denn fort?“ 

Die auf dem Marktplatz bereitstehenden Lastwagen transportierten sie an den Bahnhof Bruchsal. Von dort fuhr der Zug ins Lager Gurs. Franziska Moses starb am 20.3.1943 im Lager Noé. Hugo Moses erfuhr im Frankfurter Gefängnis von der Deportation seiner Stiefmutter Franziska Moses. 

Bereits wenige Monate später, am 20.1.1941 wurde für das „feindliche jüdische Vermögen der am 20.10.1940 ausgewiesenen Franziska Sara Moses“ die Versteigerung des beweglichen Vermögens angeordnet. Selma und Hugo machten zwar am 27.1.1941 ihren legitimen Anspruch auf das Vermögen der Eltern bei der Gemeinde Mingolsheim geltend, doch wurde dieser Anspruch nicht weiter verfolgt. 

Im April 1941 war das bewegliche Vermögen (Inventar) versteigert, Ende Mai 1941 war das restliche Vermögen der Familie Moses veräußert. Der zuständige Notar am Amtsgericht Bruchsal fand angeblich kein Testament und konnte deshalb keine Erben ermitteln. Offenbar waren die Verkäufer und Käufer fest davon überzeugt, dass die rechtmäßigen Besitzer nie zurückkehren würden. 

Die Überlebenden 

Selma Kuhn geb. Moses wurde nach ihrer Haftentlassung Ende Juni 1945 aus dem KZ Theresienstadt, schwer erkrankt, von ihrer Schwägerin Margarete gepflegt. Sie kehrte völlig mittellos nach Mannheim zurück und fand bei ihrer Tochter Karola Unterschlupf. Stiefsohn Wilhelm und der Schwiegersohn Erich waren im Krieg gefallen. Um zu überleben, erhielt Selma von der Jewish-Restitution-Organisation eine kleine Soforthilfe, was den beiden Frauen und dem inzwischen geborenen Enkelkind vorerst das Überleben sicherte. Selma blieb zeitlebens mit ihrer Schwägerin Margarete Moses in Kontakt. Sie starb am 2.11.1966 in Mannheim. Ihre Tochter Karola starb bereits ein Jahr zuvor. 

Margarete Moses wurde Ende 1943 aus ihrer Wohnung in der Frankfurter Gaußstraße 14 ausgewiesen. Sie konnte sich von nun an nur durch häufigen Wohnungswechsel der Verfolgung durch die Gestapo entziehen. Auch aus der Wohnung ihres inzwischen verstorbenen Vaters, wo sie zeitweilig unterkam, wurde sie von der NSDAP hinausgeworfen, weil diese für deutsche Parteimitglieder benötigt wurde. 

1945 konnte Margarete in ihre Wohnung in die Gaußstraße 14 zurückkehren. Sie heiratete nochmals den Shoah-Überlebenden Szaje Kaplan. Nach dessen Tod 1958 verdiente sich Margarete ihren Lebensunterhalt als Handlungsreisende. 1974 starb sie in Frankfurt und wurde als aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde auf dem israelitischen Teil des Frankfurter Friedhofs neben ihrem zweiten Mann beigesetzt. 

Die sogenannte Wiedergutmachung

Ab 1945 setzten auf Anordnung der Militärregierung Wiedergutmachungsverhandlungen bezüglich des enteigneten jüdischen Vermögens ein und zogen sich bis weit in die 1960er Jahre hin. Die Anträge kamen in der Regel von Nachfahren jüdischer Familien, die zumeist im Ausland lebten und von dort aus um ihr Recht stritten, von jüdischen Restitutionsorganisationen oder von den wenigen Überlebenden der Shoah selbst. 

Das Geltendmachen der Ansprüche gestaltete sich langwierig, denn man ließ den Antragsteller sämtliche Nachweise selbst erbringen, beispielsweise Erbberechtigungsscheine, Nachweise der Inhaftierung und des dadurch verursachten Verdienstausfalls, bezeugte Inventarlisten der geraubten Gegenstände, gezahlte Umsatzsteuer usw. Die Städte und Gemeinden waren mehr oder weniger darum „bemüht“ den rechtmäßigen Besitzern zu ihrem Recht zu verhelfen und die Entschädigung zu veranlassen. Am Beispiel der Entschädigungssache Selma Kuhn/Margarete Moses lässt sich dieser langwierige Prozess verfolgen. 

Selma Kuhn und Margarete Moses stellten am 14.12.1948 den Antrag auf Wiedergutmachung. Dafür forderten sie bei verschiedenen Ämtern in Mingolsheim, Bruchsal, Mannheim und Frankfurt Nachweise ein. Selma musste zum Beispiel für das 1941 versteigerte Inventar des elterlichen Hauses eine bezeugte Liste der Gegenstände erbringen; allein dieser Nachweis dauerte Monate. Auch der bezeugte Nachweis darüber, das bezahlte „Eingangsgeld“ von 300 RM bei der Inhaftierung im KZ Theresienstadt bei der Entlassung nicht mehr zurück erhalten zu haben, zeigt, warum sich diese Verfahren über Jahre hinzogen, im Fall von Familie Moses bis zum Oktober 1954. Im anschließenden Schlichtungsverfahren im Mai 1955 erhielt sie Wiedergutmachung in Form einer Rente. Haus und Grundbesitz waren darin eingerechnet. 

Hugo Moses hat 2006 in Frankfurt in der Gaußstraße 14 einen Stolperstein gegen das Vergessen erhalten. 

Angelika Messmer 

Gedenken für die Opfer des Nazi-Regimes in Mingolsheim und Langenbrücken