Biographie Familie Isaac

Die Familie Isaac:
sitzend links Theodor & Betty;
rechts womöglich 
Tochter Eugenie und Sohn Fritz;
sitzend in der Mitte Tochter Selma,
stehend Sohn Artur mit Frau Frieda und Friedrichs Frau Johanna.

Feier der Goldenen Hochzeit 1933

Quelle: 
Messmer S. 137

Theodor Isaac wurde am 9. Juli 1857 in Grünstadt-Sausenheim in der Pfalz geboren. 1883 heiratete er Betty Buttenwieser; sie war am 8. November 1859 in Odenheim geboren als Tochter von Jacob Buttenwieser und Friederike geb. Wertheimer, die dort ein Textilgeschäft führten.

Etwa 1890 zog Familie Isaac nach Östringen. Theodor handelte mit Tabak und Hopfen: Je nach Saison kaufte er bei den Bauern Tabak oder Hopfen auf und verkaufte sie an die verarbeitenden Betriebe oder wirkte als deren Kommissionär. Wegen des Bahnanschlusses betrieb er sein Geschäft von Langenbrücken aus; folgerichtig verlegte er um 1900 auch den Wohnsitz hierher.

Es war eine sehr religiöse Familie. Da es in Mingolsheim bereits vor dem Krieg keinen jüdischen Lehrer mehr gab, der auch als Kantor diente, übernahm Theodor oft ehrenamtlich das Amt des Vorsängers. Weil immer mehr Mitglieder wegzogen in die Städte, gab es in den zwanziger Jahren nur noch gelegentlich Gottesdienste in der Mingolsheimer Synagoge; man musste nach Malsch gehen. Dort lebte auch Bettys Schwester; deren Mann Isaak Hilb war Gemeindevorsteher.

Nach dem Wegzug von Artur zog die Familie 1927 um in die Wohnung Dammstraße 2, oberes Stockwerk. Am 17. Dezember 1935 starb Theodor Isaac in Langenbrücken, sehr besorgt wegen des Nazi-Terrors. Fünf Wochen später, am 21. Januar 1936, starb auch Betty.

Ihr gemeinsames Grab ist am Ende der vorletzten Reihe auf dem jüdischen Friedhof Mingolsheim. Die Platte mit der Inschrift wurde zerstört, wahrscheinlich beim Vandalismus durch die HJ etwa 1939. Artur forderte 1951, die Gemeinde möge die Tafel ersetzen und für die Kosten aufkommen. Als das abgelehnt wurde, ließen er und Fritz eine neue Tafel anbringen, auf der auch ihre beiden verstorbenen Schwestern genannt sind:

Arthur Isaac.
Aus der Fotokopie seiner Kennkarte; 
Foto ca. 1938

Der erste Sohn Artur Isaac wurde 1884 in Grünstadt geboren. Er machte eine Ausbildung als Autoschlosser und Elektromechaniker und betrieb ab 1908 in Langenbrücken eine eigene Autoreparaturwerkstatt, Schlosserei und Elektrowerkstatt. Somit dürfte er in manchen Häusern die erste Elektroanlage eingerichtet und Geräte geliefert und gewartet haben; außerdem hielt er die wenigen frühen Kraftfahrzeuge instand. Im 1. Weltkrieg wurde er ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz.

1922 verlegte er seinen Betrieb nach Heidelberg und heiratete 1925 Frida W. Seitz, eine Christin von dort; die Ehe scheint kinderlos geblieben zu sein. In seinem Geschäft war er sehr tüchtig und erfolgreich und rüstete seine KFZ-Werkstatt mit den neuesten Maschinen aus. Darüber hinaus eröffnete er bald ein Taxi-Unternehmen mit vier eigenen Fahrzeugen sowie einem Privatwagen für besonders anspruchsvolle Kundschaft. Sein Bruder Friedrich arbeitete als Angestellter für ihn; er fuhr Taxi und half in der Werkstatt. Fritz lebte auch bei ihm in der Familie, bis er 1930 auswanderte. Daneben leistete Artur Unterstützung für seine Eltern und die Schwester Selma in Langenbrücken sowie den Schwiegervater, der einige Jahre bei ihnen wohnte und verköstigt wurde.

Zum 30. September 1935 wurde Arthur Isaac die Konzession für sein Droschkenunternehmen entzogen; er erhielt dafür nur eine geringe Entschädigung. Die Autoreparaturwerkstatt durfte er zunächst weiterführen; allerdings hatte er wegen des Boykotts kaum noch Kundschaft und Verdienst. 1938 wurde ihm wie allen Nichtariern die Ausübung seines Handwerks verboten; ihm blieb keinerlei Einkommen mehr. Zudem war er aus der Ortskrankenkasse ausgeschlossen worden, so dass sie für alle Arztrechnungen selbst aufkommen mussten. Frieda ging nun bügeln, um Lebensmittel kaufen zu können. Das Inventar der Werkstatt und die Autos wurden Artur weggenommen und 1943 von der Gestapo zu Schleuderpreisen taxiert und verkauft.

In der „Kristallnacht“ des 9. November 1938, seinem 54. Geburtstag, wurde Artur Isaac verhaftet und ins KZ Dachau eingeliefert bis zum 23. Dezember. Infolge der seelischen und körperlichen Strapazen dort war er jahrelang krank, oft auch bettlägerig. Beinahe schlimmer als die körperlichen Folgen der Misshandlungen war die Traumatisierung mit schweren Angstzuständen, Verwirrung und Verfolgungsängsten. Nur durch die aufopfernde Pflege seiner Frau und die Rücksichtnahme der ganzen Hausbewohnerschaft konnte er in der Wohnung bleiben. Häufige Bettlägerigkeit sowie das treue Festhalten seiner nichtjüdischen Frau, die sich weigerte die Scheidung einzureichen, bewahrten ihn vor der Deportation.
Bald nach der deutschen Kapitulation klang seine Psychose ab, doch Artur war nun voll invalide.

Ab 1953 erhielt er eine sehr kleine Rente; später bekam er auch Wiedergut­machungszahlungen. Seine Frau war 1953 ebenfalls voll invalide von ihrer schweren Arbeit um das Nötigste zum Unterhalt herbeizuschaffen und gleichzeitig ihren Mann zu pflegen. Noch heute liegt in der Akte von Artur Isaac sein Judenstern, den er jahrelang zu tragen hatte. Am 9. Juli 1963 starb er in Wiesloch (wohl im Psychiatrischen Landeskrankenhaus).

Über die 1886 geborene Tochter Eugenie Isaac wissen wir so gut wie nichts. Sie soll mit einem Luxemburger SS-Mann verheiratet gewesen sein. Die Inschrift des elterlichen Grabsteins auf dem jüdischen Friedhof Mingolsheim nennt als Todesjahr 1939 – Ort und Umstände bleiben rätselhaft.

Die zweite Tochter Selma Isaac wurde am 2. Juli 1888 in Frankfurt geboren, sie blieb unverheiratet und sorgte für ihre Eltern. Zur Erntezeit half sie oft im Haushalt und in der Küche bei Familie Johann Zolk, die in der Nazizeit als „Judenfreund“ verschrien und terrorisiert wurde. Allerdings aß sie dort nie mit, weil die Küche ja nicht koscher war Die Fahrkarte nach Amerika, die Bruder Fritz ihr um 1939 schickte, soll sie an andere weitergegeben haben: sie hätte keine Angst und wolle in der Heimat bleiben. Am 22. Oktober 1940 wurde sie mit allen verblieben Juden in Baden und der Pfalz aus der Dammstraße und aus Deutschland weggebracht und kam ins Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen. Die katastrophalen Zustände des ersten Jahres dort überlebte sie. Als die deutsche Besatzung das Lager 1942 auflösen ließ, kam sie ins Durchgangslager Drancy bei Paris und wurde am 12. August mit Transport Nr. 18 nach Auschwitz geschickt. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde sie vom Gleis direkt in die Gaskammer gelenkt.

Ein Kochbuch, das Selma geschenkt worden war, ist noch erhalten. Die Deportierten mussten all ihre Habe zurücklassen; diese wurde bald darauf verkauft. Darunter war auch dies Buch aus dem Jahr 1897 mit der Widmung für Selma:

Friedrich Isaac, genannt Fritz, war das jüngste Kind der Familie. Er wurde am 12. November 1890 in Östringen geboren. Wie erwähnt, arbeitete er als gelernter Schlosser einige Jahre für seinen Bruder und wohnte auch bei ihm in Heidelberg. 1930 wanderte er aus nach Amerika. 1932/33 kam er nach Deutschland zurück, um Johanna Paulus (geboren etwa 1902 in Erlangen, Mittelfranken) zu heiraten und an der Feier des 50. Hochzeitstags seiner Eltern teilzunehmen. Ende Oktober reiste das jung verheiratete Paar aus in die USA. Sie lebten im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Am 20. September 1971 starb Friedrich in Ulster Park im Staat New York. Bisher bezweifeln wir, dass er Kinder hatte – es wären die einzigen Nachfahren unserer Familie.

Hans-Georg Schmitz – Januar 2017

Gedenken für die Opfer des Nazi-Regimes in Mingolsheim und Langenbrücken