Neues von Julius Falk

Im Zuge der Verlegung von Stolpersteinen in Malsch im Februar 2018 kam auch manches Neue über die aus Bad Schönborn Deportierten ans Licht. Unter den aus Malsch ins Lager Gurs Verschleppten waren zwei Kinder; beide wurden durch die Initiative ausländischer Hilfsorganisationen aus dem Lager in ein Kinderheim gebracht. Auf verschiedenen Wegen überstanden sie die Nazizeit, und beide leben heute noch in den USA.

Die Ältere, ein Jahr vor Herbert geboren, hatte im Heim viele Briefe von ihren Eltern und anderen im Lager bekommen. Diese hütet sie bis heute und stellte sie gern für unsere Forschungsarbeit zur Verfügung. Sie sind eine hervorragende Geschichtsquelle, weil viele Dutzend Personen darin genannt werden, die auch in Gurs lebten. Wir erfahren, wer von dort in andere Lager und teils wieder zurück gebracht wurde, wer auf die Ausreise nach Amerika hoffte oder gar zum Schiff nach Marseille fahren durfte. Besonders interessant für uns ist eine Geldsammlung zugunsten der Internierten. Viele Angehörige der weit verzweigten Malscher Familie Hess waren während oder kurz vor der NS-Zeit nach Amerika ausgewandert. Nun hatten sie von der schrecklichen Mangelernährung im Lager erfahren, wo auch die einfachsten sanitären Dinge fehlten, ebenso Papier und Stifte um Kontakt halten zu können. Daraufhin legten sie zusammen und schickten das Geld nach Gurs, wo es unter alle aus der jüdischen Gemeinde Malsch verteilt werden sollte.

Dabei werden ausdrücklich Herberts Vater Julius Falk und die anderen aus Mingolsheim sowie Langenbrücken genannt: Weil nach dem ersten Weltkrieg in diesen Orten die Zahl zu klein geworden war für eigene Gottesdienste in der hiesigen Synagoge, betrachteten die Malscher sie inzwischen als selbstverständlichen Teil ihrer Gemeinde. Das Geld bedeutete für die Empfänger eine wesentliche Hilfe. Julius Falk spielt in den Erinnerungen dieser Zeitzeugin noch eine besondere Rolle. Die beiden verbliebenen jüdischen Geschäfte in Malsch wurden in der „Kristallnacht“ völlig verwüstet und ausgeplündert; danach durften sie nicht wieder öffnen. So gab es für ihre Eltern und Großeltern keinerlei Einkommen mehr aus ihrem bis dahin allseits beliebten Textilgeschäft, allgemein „Stoff-Herzl“ genannt. Darum fuhr ihr Vater nun mehrfach die Woche mit dem Fahrrad hinüber nach Mingolsheim, um Julius Falk in seiner kleinen Landwirtschaft etwas zu helfen und dabei wenige Groschen zu verdienen.

Wenn Julius in seinem Brief nach Amerika schrieb, er könne hier einigermaßen leben von der Milch seiner Kühe und den ererbten Äckern, war das also nicht frei erfunden. Offenbar ließen ihn die Nazis noch etwas beitragen zur Ernährung des Reichs, bis er im Oktober 1940 unverhofft abgeholt wurde. Als man Anfang 1941 seinen gesamten Besitz öffentlich versteigerte, waren auch die beiden Kühe darunter. Die Stolpersteine-Initiative und der Arbeitskreis Heimatgeschichte freuen sich weiterhin über erhaltene Dokumente aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, seien es Fotos, Zeitungsausschnitte oder so unscheinbare Dinge wie Rechnungen und Quittungen.

Anschriften finden Sie unter „Initiative“, dann „Mitarbeiten“. Natürlich erhalten sie alles, was Sie zur Verfügung stellen, auch gern wieder zurück.

Am Freitag, 7. September, um 18.00 Uhr wird eingeladen zur nächsten Führung auf dem hiesigen jüdischen Friedhof, Zugang von der Konradin-Kreutzer-Straße. Männer müssen eine Kopfbedeckung tragen.

Hans-Georg Schmitz