Führung auf dem jüdischen Friedhof Mingolsheim

Am Mittwoch, 29. Juni, um 18 Uhr laden der Kulturkreis sowie die Stolperstein-Initiative alle Interessierten zu einer Begehung des jüdischen Friedhofs ein.

Treffpunkt zur Führung ist der kleine Parkplatz am Ende der Konradin-Kreutzer-Straße. Männliche Besucher müssen eine Kopfbedeckung tragen.

Versteckt liegt der jüdische Friedhof am heutigen Ortsrand im Nordosten von Mingolsheim. Bei seiner Gründung vor 140 Jahren sprachen gute Gründe für diese Lage: Die drei israelitischen Gemeinden Mingolsheim, Malsch und Östringen legten gemeinsam einen eigenen Begräbnisplatz an, um nicht mehr den weiten Weg zum Eichelberg auf der Grenze von Obergrombach und Bruchsal zurücklegen zu müssen. Auch wenn die jüdischen Gemeinden vor über 75 Jahren ausgelöscht wurden, bleibt dieser stille Ort für viele Menschen auf der Welt durchaus von Bedeutung.

Immer wieder besuchen deshalb Menschen aus Übersee die Gräber ihrer Vorfahren, die aus dieser Region kamen. Besonders erfreut sind sie, wenn jemand ihnen die Gräber zeigen kann und auch die Häuser, in denen sie früher einmal lebten, bevor die jüdischen Gemeinden ausgelöscht wurden.

Seit dem Tod von Dr. Willy Messmer gab es nur noch wenige sachkundige Bürger, welche die jüdische Geschichte der Region kannten. Doch seit nunmehr vier Jahren gibt es eine kleine Gruppe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die jüdische Geschichte der Region weiter zu erforschen und die Erinnerung an dieses kulturelle Erbe zu bewahren.

Der jüdische Friedhof erzählt dabei Geschichten von dieser kulturellen Blüte jüdischen Lebens, die für die gesamte Dorfgemeinschaft eine wichtige Rolle spielte. Mit dem Einsatz der Juden im Handel konnten die meisten hiesigen Bauern auch Tauschwirtschaft treiben und so auch neue Produkte kennenlernen. Einige jüdische Bürger zeigten außerdem großen unternehmerischen Mut und Geschick und wurden so zu wichtigen Arbeitgebern auf dem Land. Der Friedhof lässt diese Geschichte lebendig werden und gibt Zeugnis von den Menschen, die hier einst lebten, ihren Hoffnungen, Erfolgen, Enttäuschungen und Leiden.

 

Rede zum Holocaust Gedenktag in Kislau

Bürgermeister Huge und Gemeinderätin Angelika Messmer vor der Gedenkstele in Kislau

Gemeinderätin Angelika Messmer

Schluss damit! Es muss doch endlich mal Ruhe sein- vorbei ist das- man muss auch vergessen können- was hat das noch mit uns zu tun- schon wieder Holocaust.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Wer kennt sie nicht diese und ähnliche Argumente, wer hat sie noch nicht gehört und gesehen all diese Verdränger, Entsorger, die glücklich-Spätgeborenen, die begnadeten Augen- zu- Kneifer in unserem Land? Warum fällt es uns mehr als 70 Jahre danach noch so schwer, uns unserer geschichtlichen Verantwortung zu stellen?

Weil Scham, Schuld, Reue und Bekenntnis angesichts des begangenen Verbrechens selten ein Bestandteil der individuellen Erinnerung unserer Eltern und Großeltern wurden. Vielmehr tauchten in der familiären Erinnerung oft Verharmlosung und angebliches Nichtwissen auf. Beteiligte Familienmitglieder wurden sogar als Opfer oder Helden geschildert. Täter erklären sich zu Verführten, Mitläufer zu Opfern. Sie entzogen sich ihrer Verantwortung- und Sie verkehrten die Opfer –Täter –Rolle.

Das Erbe das dadurch uns nachfolgenden Generationen bleibt, ist sich dieser geschichtlichen Verantwortung zu stellen, derer sich unsere Eltern und Großeltern entzogen haben. Nehmen wir diese Verantwortung an die meines Erachtens auf folgenden vier zentralen Aspekten beruht:
1. Dem Wahrheitsgemäßen Erinnern.
2. Der Fürsorge für Recht und Gerechtigkeit.
3. Der Erziehung zur Menschlichkeit.
4. Der Verantwortung für Freiheit und Demokratie.

Das heißt heute für uns:
Sich wahrheitsgemäß erinnern: Erinnern an die Millionen Menschen, die von den Nazis entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden. Das sind wir den Opfern und den mutigen Widerstandskämpfern schuldig, die dafür ihr Leben ließen.
Erinnern bedeutet auch, Sie dem Vergessen zu entreißen, Ihnen ihre Identität und ihre Namen und damit ihre Würde zurückzugeben und nicht in anonymer, staatspolitischer Weise „der Opfer des Nationalsozialismus“ zu gedenken, sondern erzählen wir die Geschichte dieses Vaters, dieser Mutter, dieses Mädchens, dieses Jungen, dieser Frau, dieses Mannes, denn die Millionen ermordeten Menschen sind einer und einer und einer…

Zu dieser Verantwortung gehört auch: Die Fürsorge für Recht und Gerechtigkeit.
Im Judentum gilt das Gebot der Gerechtigkeit für alle Menschen gleichermaßen. Recht tun und Recht fordern ist ein Grundsatz jüdischer Lebensanschauung und gehört zu den sieben elementaren Vorschriften im Judentum. So ruht auf diesen drei Dingen die Welt: auf Wahrheit, auf Recht, auf Frieden. In der Bibel steht dazu „Übt Recht und Gerechtigkeit und rettet die Beraubten aus der Hand des Unterdrückers. (Jer.22,3)

Ebenso gehört zu unserer Verantwortung die Erziehung zur Menschlichkeit:
Der Direktor eines amerikanischen Lyzeums pflegte zu Beginn eines jeden Schuljahres an die Lehrer seiner Schule Folgendes zu schreiben: Lieber Kollege, ich habe das Konzentrationslager überlebt. Meine Augen haben gesehen, was kein Mensch je sehen sollte: Gaskammern, von gebildeten Ingenieuren erbaut, Kinder von Ärzten vergiftet, die wussten was sie taten. Säuglinge von erfahrenen Pflegerinnen getötet, Frauen und Kinder von Menschen getötet und verbrannt, die das Abitur bestanden und die Universität abgeschlossen hatten. Deshalb misstraue ich der Bildung. Mein Anliegen ist: Helft euren Schülern MENSCHEN zu werden. Das Ergebnis eurer Mühen dürfen nicht wohlerzogene Monster sein, qualifizierte Psychopathen, gebildete Eichmanns. Lesen, schreiben, rechnen sind unwichtig, wenn Sie nicht dazu dienen, unsere Kinder zu mehr Menschlichkeit hinzuführen. (Der Direktor)

Die Verantwortung für Freiheit und Demokratie als letztes wichtiges Ziel.
Das jüdische Ehepaar F. und M. Langer, die sich nach dem Krieg in einem Waisenhaus in Krakau kennenlernten und 1950 nach Israel auswanderten, kamen 40Jahre später zu ihrem in Deutschland lebenden Sohn.
Ich zitiere: „Gerade waren wir in Deutschland angekommen. Und natürlich hatten wir es gesehen. Das Hakenkreuz groß und hässlich gepinselt an die Wand eines Supermarktes. Wir waren schockiert und wie gelähmt. Nachts sind wir dann losgezogen, mit Sprühflaschen in der Handtasche, weil wir es nicht mehr ertragen konnten. Doch als wir am Supermarkt ankamen, strahlte uns eine Sonne entgegen. Jemand anderes hatte es bereits erledigt. Wir waren glücklich“!

„Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit„ sagte der aus Baden stammende Jurist Robert Kempner. Sorgen wir dafür, dass ein lebendiges Erinnern in unserem kollektiven Gedächtnis verankert bleibt, damit solch ein Verbrechen niemals wieder unter aller Augen geschehen kann und bewahren wir uns das Erschauern vor dem Geschehenen, damit wir uns die Widerstandskraft unserer Menschlichkeit erhalten, denn es gilt auszuhalten, dass der Tod ein Meister aus Deutschland war.

Verneigen wir uns also heute und für immer vor den Opfern und den wahren Helden des Widerstands und hier und heute vor Ludwig Marum, der gestorben ist für die Freiheit.

Gedenkrede an der Ludwig Marum Stele Schloss Kislau anlässlich des Holocaust Gedenktages 2016 in Bad Schönborn

Frohe Weihnachten und Glückliches Neujahr!

Kochbuch - Selma Isaac

Das Bild zeigt das Kochbuch von Selma Isaac aus Langenbrücken. Familie Groß stellt es uns auch gerne für eine Ausstellung zur Verfügung und gehört jetzt auch zum Kreis der Unterstützer unserer Initiative. Besten Dank dafür!

Angie merkt dazu an: „Es zeigt, wie gut die jüdischen Mitbürger in ihre badische Heimat integriert waren, denn man interessierte sich auch für die regionale Küche und Gepflogenheiten, die sicher nicht nur koscher war. Übrigens; ein Überbleibsel aus der jüdischen Küche gibt es bei uns im Kraichgau noch mit dem Berches Brot, das man noch kaufen kann in Mingolsheim oder Kronau. Auch die älteren Frauen können das Berches noch backen. Die Bezeichnung „Berches “ oder Barchos oder Barchat stammt aus dem hebräischen Berachot ab, was Segen oder Segenssprüche bedeutet und am Sabbat gegessen wurde……Gelebte Heimatgeschichte“.

Wir wünschen allen Unterstützer*innen besinnliche Weihnachtstage und einen glücklichen Start in das neue Jahr 2016!

In 2016 werden die ersten Stolpersteine in Bad Schönborn verlegt. Die Nachkommen der Opfer und wir freuen uns darauf!

Gemeinderat gibt Grünes Licht!

Claire and Herbert Falk 2013

Freudige Gesichter bei allen Unterstützern der Initiative „Stolpersteine Bad Schönborn“ gestern Abend im Gemeinderat: mit 14 Ja Stimmen gegen 4 Nein Stimmen und bei 2 Enthaltungen hat sich der Gemeinderat von Bad Schönborn das Anliegen der Initiative zu eigen gemacht.

Herzlichen Dank an Bürgermeister Klaus-Detlev Huge sowie an die Gemeinderäte der Freien Wähler, der SPD und der Grünen Liste für die Ja-Stimmen!

Die Initiative „Stolpersteine Bad Schönborn“ wird jetzt in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Bad Schönborn und dem Kreis der Unterstützer die nächsten Schritte abstimmen. Es bleibt etwas Zeit, um die Schicksale der Opfer aufzuarbeiten. Termine für die Verlegung der ersten fünf Stolpersteine sind ab September 2016 möglich.

Bild: Herbert Falk, der einzige überlebende Zeitzeuge, mit seiner Frau Claire (Quelle: Familie Herbert Falk)

Gedenken für die Opfer des Nazi-Regimes in Mingolsheim und Langenbrücken